Sonntag, 8. Juni 2014

"Vazaaaaahhhh"


Huuuiiii, wie die Zeit rennt! Schon wieder ein Monat vorbei? Ich habe nochmals ein neues Madagaskar kennengelernt. Ein Madagaskar, das mich immer mehr fasziniert! Für den Fall, dass dus selber noch nicht erlebt hast: Reisen ist ja wohl das coolste der Welt! Bin so vielen spannenden Menschen begegnet, habe so viele unglaubliche Landschaften gesehen, hab unendlich viel Reis geschlemmt, die Sonne über wunderbaren Panoramen untergehen sehen, in einem Monat mehr geschlafen als in drei zu Hause und das schönste an allem: ich hatte zwei wunderbare Gspöndli an meiner Seite um all das gemeinsam zu bewundern, zu bestaunen, zu diskutieren und über das Leben oder sonstige Dinge zu philosophieren. Liebe Kathrin, liebe Lea, ihr habt mein Leben in diesem Madagaskarjahr nochmals bereichert! Ich danke euch von ganzem ganzem Herzen...

Hiermit schliesse ich meinen Blog mit meinen Gedanken über meine Beobachtungen und Erfahrungen. Halte dich aber auf eine neue Art und Weise auf dem Laufenden.

Von nun an steht mein Blog unter dem Namen:

***KATHRIN (LEA) & CHRIGI AUF REISEN***
Herzlich Willkommen auf unserem Blog, liebe Freunde von Kathrin.

Wir werden dir jeweils einen kurzen Überblick geben, was wir gerade gemacht haben und wo wir uns im Land befinden, dann aber einige Anekdoten aus unserem Alltag schildern.

ABSTRACT:
Die Crew:       Lea, Kathrin, Chrigi
Das Ziel:        Toilara (Südwesten von Madagaskar)
Fortbeweg.:   Velo, Taxibrousse, Poussepousse, Pirogue & Füsse
Zeitdauer:      1 Monat

Veloeinkauf
Eines der Highlights auf unserer Velotour war der Einkauf der Fahrräder. Ein fertiges Fahrrad hätte dreimal so viel gekostet, also haben wir - mit Hilfe von einer Madagassin, die Chrigi schon von einer früheren Reise kannte - Einzelteile gekauft und diese anschliessend zusammenbasteln lassen. Am Ende des Tages standen drei schnittige Velos bereit, die von allen Madagassen stark bewundert wurden. Rote Speichen, weisse Rahmen, ein zu kleiner Lenker und eine zu grosse Kette... Aber davon merkten wir noch nichts, als wir unsere Reise begannen. Also fuhren wir am ersten Tag los – hoch motiviert und erst nach zwei, drei Stunden tauchten die ersten Beschwerden auf. (Aber unter uns gesagt, mein (Chrigis) A.... tat mir schon nach den ersten fünf Minuten weh, da ich mir die Madagassen aber ein bisschen zum Vorbild nehme, was ihr Gejammere anbelangt, versuchte ich auf die Zähne zu beissen – teilweise erfolgreich) Nach sechzig Kilometern funktionierte noch ca die Hälfte der Gänge und im Kettenreinmachen wurden wir auch immer schneller. Nach neunzig waren wir alle ziemlich am Ende und froh, das Tagesziel vor Einbruch der Dunkelheit erreicht zu haben. Nun so kam es, dass wir – wenn die Strecke zu weit war - auch mal ein Stück weit von nem Taxibrousse profitierten. Die Fahrräder auf dem Dach, wir im Bus eingequetscht zwischen Menschen, Hühnern und was halt sonst noch so mitfährt.
Waren wir aber mit dem Velo unterwegs, fühlten wir uns wie die Queen. Aus allen Ecken riefen uns Kinder: „Vazaaaaaah“ hinterher. Es war ein bisschen wie: Sucht Walter. Da war ein riesiger Hang, von irgendwoher hörst du die Stimme, hältst mal die Hand nach oben um zu winken und suchst eine ganze Weile, bis du die gut getarnten Kinder irgendwo super weit entfernt auf nem Stein sitzen siehst. Wir haben uns so manchmal gefragt, ob die dort den ganzen Tag auf Vazahas warten. Das Velofahren haben wir – abgesehen von den Beschwerden – voll genossen, so langsam durch die wunderschöne, schon wieder ziemlich braune Gegend zu fahren & viel mit den Menschen zu plaudern.

De Maa macht grad s Gschäft vom Läbä mit ois!


Madagassischer Coiffeur
In Ambositra hatten wir viel Zeit und nachdem wir einiges angeschaut haben, haben Chrigi und Lea gefunden, sie nutzen die Chance und gehen zum Coiffeur, kann ja nie schaden, dachten wir. Natürlich gibt es auch hier richtige Coiffeursalons, aber das wollten wir nicht und schnell sind wir an einem Strassencoiffeur vorbeigekommen, ein kleiner, offener Raum am Strassenrand. Lea wollte sich die Spitzen schneiden lassen. Die Coiffeuse hat ihr die Haare gewaschen und dann alle nach hinten gekämmt, die Schere angesetzt und vier Scherenzüge gemacht, das wars. Sie hätte ihr auch gerne noch einen Stufenschnitt verpasst, das wollte Lea dann aber nicht, ich frage mich warum. ;) Chrigi hat eine Färbung bekommen, ihre Hosen ebenfalls, die Haare sind jetzt schön schwarz, bis es soweit war, hat es aber einige Schritte gebraucht: Erst alles gründlich einfärben, dann einwirken lassen und immer mal wieder nachkämmen, dann auswaschen, erst einmal mit Seife. Um die Kopfhaut wieder sauber zu kriegen hat die Assistentin draussen etwas Sand geholt, dieser, kombiniert mit etwas Seife ergab eine perfekte Peelingmasse. Danach hat die Coiffeuse mit ihren Fingernägeln noch etwas nachgekratzt und am Schluss hat sie noch einen Schwamm, hergestellt aus einem Büschel Haare von dem wir hoffen, dass es Chrigis Haare waren, sicher sind wir uns da aber nicht, den Haaransatz noch einmal nachgerubbelt. Dann noch einmal ausspülen, trocknen et voilà, fertig war's. Für beide zusammen haben wir knapp 10'000 Ariari bezahlt, was etwas weniger als 5 Franken sind, ein super Erlebnis und so interessant zu sehen, mit welchen Mitteln man arbeiten kann.

Suber sinds ämäl!

4 Schnitt und fertig isch - dasch mal speditivs Schaffe!

Es Haarbüscheli zum putze!
Kinder
Während der Fahrt im Taxibrousse hatten wir viel Zeit zum Nichtstun und Schauen und dabei war vor allem die Rolle und der Umgang mit den Kindern interessant. In der Regel wird für die Kinder kein Fahrschein gelöst, das heisst aber dann auch, dass sie kein Anrecht auf ein Sitzplatz haben. Wenn der Bus nicht gefüllt ist, können sie auf einem Sitz Platz nehmen, wenn noch wer kommt, müssen sie aufstehen und sitzen bei jemandem auf den Schoss. In der Regel sind das die Eltern, muss aber überhaupt nicht sein, immer mal wieder zieht auch einfach eine Banknachbarin das Kind auf die Knie. Wir haben nie ein Kind gesehen, das deswegen geweint oder sich sonst etwas anmerken lassen hätte. Noch komischer für uns war, als es einmal eine Pinkelpause gegeben hat in einem Bus mit etwa 20 Sitzreihen. Ein Kind ganz weit vorne musste mal und anstatt dass die Mutter sich mit dem Kind durch alle Reihen durchgequescht hätte um hinten aussteigen zu können, hat sie es einfach aus dem Fenster gereicht und irgendwer ist dann mit dem Mädchen an den Strassenrand gegangen und hat es nachher wieder reingereicht.
Es scheint hier viel weniger Berührungsängste zu geben, zumindest unter Madagassen. Lea hat zwar auch mal ein Kind in die Hände gedrückt bekommen damit eine die Hände frei hatte um auszusteigen, zweimal aber hatten Kinder auch dermassen Angst vor uns, dass sie laut weinten und sich bei den Eltern verstecken mussten, dabei finden wir eigentlich nicht, dass wir so fürchterlich aussehen. Die allermeisten Kinder aber haben auch vor uns keine Angst, starren uns offen an und kommen meist mit sehr konkreten Forderungen: Donne-moi des bonbons! Donne-moi de l’argent! Donne-moi un cadeux! Dann gibt es auch die Kreativeren, die finden, gib mir deinen Rucksack, den Helm, dein Fahrrad,... Das ist extrem befremdend und wenn wir müde sind auch sehr anstrengend und vor allem stellt es uns immer wieder vor die selbe Diskussion. Es müssen wohl einige Weisse vorbei gekommen sein, die ihnen Bonbons gegeben haben, also ist das doch normal für sie. Wir wollen aber keine Zältliautomaten sein und finden es bisweilen auch frech, wenn sie uns so mit Forderungen belagern, stören uns also an etwas, das wir (im Sinne von wir Europäern) selber geschaffen haben. Wenn wir nun jemanden nach dem Weg fragen und er bring uns dorthin und fragt dann nicht nach einem Geschenk oder Geld, sollen wir dann was geben, weil wir ja froh waren um den Dienst oder sind wir dann Schuld, dass er das nächste Mal den Weg nur noch zeigen wird, wenn er was bekommt? Diese Frage beschäftigt uns immer wieder und wir kommen nicht weiter. Zum Glück sind die Kinder so herzig, da vergessen wir dann den Zältliärger wieder, schoggibrun halt. 

 
Halt eifach Schoggibruun! Und die Auge!***

"Vazaha, donne moi de bonbon!"

Zebumarkt in Ambalavao– Der Besuch einer madagassischen Viehschau
Vorerst ein bisschen Hintergrundwissen: Ein Zebu - auf Madagassisch „Omby“ (ausgesprochen: Umbi) – ist hier wie eine Bank. Wer Zebus besitzt ist reich. Gebraucht werden sie von allen Madagassen für traditionelle Zeremonien wie Beerdigungen, Hochzeiten etc. Früher gab es eine Tradition, die junge Madagassen ein Zebu stehlen liess und erst wenn sie das geschafft hatten, waren sie richtige Männer und im Stande zu heiraten. Heute ist diese Tradition leider erweitert worden. Im Süden Madagaskars gibt es mittlerweilen so viele Zebudiebe, dass das Leben dort echt gefährlich ist. (Zum Beispiel haben wir in Toilara einen Spital besucht und sind dabei einem Madagassen begegnet, der von 30 Zebudieben überfallen und angeschossen wurde – scheint hier das normalste der Welt zu sein! Er fand jedenfalls die Tatsache, dass drei Vazahas in sein Zimmer schauten doppelt so interessant wie seine Verletzung und urkomisch.)
Nun aber zum Markt: Dieser findet jeden Mittwoch und Donnerstagmorgen statt. Es gibt Bauern, die legen mit ihren Herden eine dreitägige Wanderung zurück um in dieser Stadt ihre Tiere zu verkaufen, die sie über Jahre gehütet und gepflegt hatten. Die Käufer sind meistens reiche Händler, welche die Zebus in Lastwagen quetschen – der Tierschutz wäre alles andere als begeistert – um diese nach Tana zu transportieren und dort weiter zu verkaufen.
Der Platz wimmelt von Männern mit Hüten und Stecken in den Händen, sie tragen die Sonntagskleidung: zerschlissene Westen und Faltenhosen- manchmal auch Trainerhosen. Die meisten haben eine Wolldecke umgebunden, denn in der Nacht kann’s ganz schön kalt werden. Die Frauen verkauften am Rande Gebäcke, Tee und Kaffee. Die meisten strahlen und laufen mit einem Bündel Geld in der Hand umher. Ein wunderbares Schauspiel. Wir stürzten uns natürlich voll rein und erkundigten uns nach dem Preis eines Zebus. Umgerechnet ca. 50 Schweizerfranken. Überall wo wir ein Gespräch begannen, bildete sich sofort eine Traube Menschen um uns, die hören wollten, was diese Vazahas denn da wollen. Als wir dann erzählten, dass unser Papa auch Kühe hätte zu Hause(oke – Notlüge), meinten sie, wir sollen doch nächstes Mal eine Kuh mitbringen, dann könnten wir tauschen. – Ja, gute Idee, wir werdens uns überlegen. ;)

Neni (Grossvatter), weles söllemer heibringe als Souvenir?

Nuno es Schüpfli!


Heiratsanträge
Haha, was haben wir gelacht. Überall wo wir ankamen, waren die Männer entzückt von den drei Vazahafrauen – das sollte einem in der Schweiz ja auch mal passieren! :P
Immer wenn wir an einer Taxibroussestation unsere Velos verladen, sind wir natürlich eine Attraktion. Vor allem, weil wir uns auch auf madagassisch verständigen können. Nach: „Mahay miteny gassy!?“ (Du sprichst ja madagassisch!?) ist die Zweite Aussage: „Eva manambady?“ (Schon verheiratet?) und wenn du da sagst, noch nicht, dann werfen sie dir die Heiratsangebote nur so zu. Der wäre noch zu haben und jener und ich hätten noch einen Bruder etc.  Einmal als wir in einem Taxi-B (ÖV) fuhren und mit einer Frau ins Gespräch kamen, meinte sie, sie hätte einen wunderschönen Sohn, ob wir den nicht haben wollten – sofort packte sie das Handy aus, um uns Bilder von ihm zu zeigen – und einmal mehr: sie sehen wirklich gut aus, diese madagassischen Männern mit ihren durchtrainierten braunen Oberkörpern! ;) Aber heiraten wollen wir sie trotzdem nicht und um all den Angeboten ein bisschen zu gehen flunkern wir ein bisschen und sagen halt, jaja wir sind verheiratet.
Oder ein ander Mal in einem Hotel gab es einen charmanten Rezeptionisten, der zuerst Kathrin fragte, ob sie verheiratet wäre. Sie bestätigte das und er fragte sogleich, wie es denn um die anderen Beiden stehen würde. Als sie erklärte, dass alle bereits verheiratet wären, liess er sie gehen. Kurz darauf fing er aber Lea ab und fragte erneut, ob sie denn schon einen Mann hätte – haha, was denken die denn, dass wir untereinander nicht miteinander reden?

Au d Frau mitem Huet hetti sust no en Brüeder, wo sicher au grad na Ziit hetti zum eini oder au zwei vo ois hürate...


Feilschen
Um Preise kämpfen müssen wir jeden Tag. Aber unterdessen machen wir uns einen Sport daraus. Meistens entstehen so lustige Gespräche und Bekanntschaften. Die Madagassen freuen sich mehr darüber, wenn du mit ihnen reden kannst, als wenn sie dir etwas zu einem zu hohen Preis verkaufen. Das Lustigste fand an einer Taxibroussestation statt. Wir kannten den Fahrpreis bereits für die folgende Strecke. Der Typ im Häuschen wollte uns aber abzocken. Ich diskutierte lange mit ihm und er beharrte auf seinem Preis. Es gäbe eben Preise für Madagassen und welche für die Vazahas. Als ich dann sagte, aber ich wäre ja schon mit einem Madagassen verheiratet und somit auch Madagassin, meinte er: Ok. Du kannst billiger fahren, die anderen beiden müssen aber mehr bezahlen. Nun, wir einigten uns darauf, dass der Chauffeur entscheiden solle und dieser willigte sofort ein, als ich ihm meinen Preisvorschlag machte. Das schöne war, der andere Typ, gab mir einen freundlichen Handklatsch und wünschte uns eine gute Reise.

*otschini* ;)
 
*Lafu be* (=dasch aber tüür!) De hätsi also d Kathrin!

Wie weiter:
Erst mal heisst es schon: Tschüss liebe Lea! Es war super mit dir! Pass gut auf dich auf! Geniess deine weitere Reise und komm gesund wieder nach Hause!

Zu zweit ziehen wir morgen weiter. Ein kleiner Abstecher in das Dorf am Ende der Welt ohne Nichts, dann gehen wir über Tana in den Norden. Wohin genau steht noch in den Sternen.