Samstag, 21. Dezember 2013

Avy isan'andro ny orana (Kommen jeden Tag Regen)


Ja, so sollte er eigentlich heissen, mein Titel für den neuen Blogeintrag. Seit einer Woche habe ich meinen Bericht über die Regenzeit, sowie viele andere Erlebnisse fein säuberlich verfasst. Aber nachdem ich heute die dritte Weihnachtsfeier erlebt habe, werfe ich alles über den Haufen und berichte dir, wie ich die Adventszeit in Madagaskar so erlebe. 

Seit 20 Tagen ist Weihnachtszeit und ich fühle mich eigentlich so gar nicht als ob. Hautsächlich aus dem Grund, weil ich immer noch im *Röckli* ;) rumsitze, von Schnee und Kälte weit und breit nichts zu sehen oder zu spüren ist und der alljährliche (üble) Weihnachtshit nicht alle zwei Minuten, und das schon seit November, von den Boxen dröhnt. Zwar tauchen immer wieder mal „chitschigi“ Tannenbäume auf, mit bunten Girlanden, Geschenken und Weihnachtsmännern dran - sogar diesen überaus hässlichen Chlaus, welcher in der Schweiz oft an einer Leiter aus dem Fenster hängt, habe ich schon gesichtet - trotzdem bin ich von der echten Weihnachtsstimmung und dem Weihnachtsstress soooo weit entfernt. Obwohl! Seit dem 16. Dezember, als ich den absolut coolsten Adventskalender erhalten habe, von den zwei besten Schwestern der ganzen Welt!!! Kann ich mir doch vorstellen, dass nach 24 Törchen, also am 9. Januar, Weihnachten stattfinden wird.

Auch wenn es mir so gar nicht wirklich erscheint, für die Madagassen ist es natürlich ganz normal und ein riesiges Highlight. Für die Weihnachtsfeiern putzen sie sich heruas, als würden sie auf einer Hochzeit tanzen. 

Seit dem 1. Dezember werden in der Schule Kronen und Girlanden gebastelt (Hauptsächlich sind es die Lehrer, welche das machen, während die Kinder im Bank sitzen und warten) Das Schulzimmer wird mit den Lametten geschmückt, welche die Kinder mitbringen müssen. Nebenbei stehen die Prüfungen im Zentrum und anschliessend die Vorbereitungen fürs Weihnachtsfest. Jede Klasse studiert einen kleinen Tanz, ein Lied, ein Gedicht oder ein Theater ein.



Dann, am 19. Dezember ist es endlich soweit. Die Kinder, welche die öffentliche Schule besuchen, warten geduldig in ihren Klassenzimmern, während die Eltern sich die besten Plätze auf dem winzigen Pausenplatz ergattern. Dann wird das Spektakel mit der Nationalhymne von Madagaskar(alle Strophen!), sowie einigen Worten der Schulleitung eröffnet. Es ist ein wunderbarer Anlass. Die Eltern sind stolz auf ihre Kinder diese strahlen übers ganze Gesicht und als Schlussbouquet führen die Lehrer (einen äusserst peinlichen) Tanz auf. Anschliessend werden die Noten bei der Lehrperson bezogen, wobei auch gleich das Elterngespräch stattfindet. 
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Am Freitag feierten wir das Weihnachtsfest auch noch im Tanan Mirana. Es gab ein unglaublich aufwändiges Geköch! Alle Lehrer standen in der Küche, während die Kinder spielten. Zuerst gab es Gemüse, dann enorm viel Reis mit enorm viel Fleisch und zum Dessert – dafür war ich zuständig- (verbrannte) Brownes und Fruchtsalat. Der Hauptakt war die Geschenkeverteilung. Diese leuchtenden Augen könnt ihr euch kaum vorstellen! Einige Kinder oder junge Erwachsene konnten sich vor Freude kaum mehr halten.

Das sind mal Töpf!
 
Mmmmhhhh...


S Gmües als Vorspiis
Uuunglaublich vill Riis!
Würklich feins Fleisch!
Verbrännti Brownies ;)

Mmmmh - mit soo feine Frücht!!!





Mirana erklärt: es git Chind, die hend gar nüt z ässä a Wiehnachte!

Happ happ, und alles isch wäg. ALLES!!!


Gschänkli für alli Chind!



Danke sägä


D Froid isch riisig!


Jetzt sind alli müed und händ Ferie nöötig.



Ich muss eingestehen, heute, Samstag, 21. Dezember, habe ich schon mehr Weihnachtsfeiern hinter mir als in den vergangenen zwei Jahren überhaupt stattgefunden haben und ich hab sie immer noch nicht satt. Denn meine drei Nachbarsmädchen haben mich auch noch zu ihrer Schulfeier eingeladen. Ah, ich mag sie so gerne meine Nachbarn! Bin sehr froh, dass ich sie kennengelernt habe, sonst würde ich mich hier ziemlich einsam fühlen – aber dazu schreibe ich ein andermal mehr.
Es war gut spürbar, dass das heute eine private Schule war, mit viel Geld und einer Schulleitung, die das Geld nicht für sich selber verwendet sondern in die Schule investiert. Es erinnerte mich stark an unser Sommertheater in Benglen. Moderne Lieder, lustige Tänze der Kinder und witzige Verkleidungen. (Ach liebe Linda und Cheri, wie gerne hätte ich euch hier in meinem Lehrerteam!)


ch ch ch... zum goisse! und vo dene Päärli häts öpe drissg gha!


Ivanne, s chlinsti vo mine drü Nachbersmeitli

Diavolana (egstra bim Coiffeur xii für de Alass)

Bodo, s Mami, wartet gspannt uf de Uftritt vo irne Chind

Norohasina am Tanze....

... und am singe



Nun meine lieben Freunde,

ich schicke euch die aller liebsten Wünsche für euer Weihnachtsfest! Ich hoffe, dass ihr  mit eurer Familie und euren Freunden feiern dürft. Dass ihr all die schönen Dinge, welche wir uns schenken und die wunderbare Zeit, die wir gemeinsam verbringen dürfen, geniessen könnt. Ich für meinen Teil werde das dieses Jahr besonders schätzen – denn in wenigen Stunden darf ich meine liebe Mama und meinen lieben Papa am Flughafen abholen.

Ich denke ganz fest an euch in der Schweiz und wünsche natürlich auch einen gelungenen Sprung ins 2014!

Oh und das Wichtigste:
HÄPPY 23. DEZÄMBER !!! :)  
 En liebe Gruess denn uf Winti ;) Gend oi sorg!

Mittwoch, 20. November 2013

Miasa ny sekoly (Arbeit in der Schule)


Hallo – ja ich weiss, dieser Blogeintrag liess geraume Zeit auf sich warten. Es ist nur so, dass vieles bereits Alltag wurde und ich euch hier ja nicht langweilen möchte. Trotzdem wurde ich schon mehrfach gefragt, respektive von meiner Familie gedrängt ;), wiedermal von meinem Alltag in der Schule zu berichten… (beklagt euch nicht, wenn ihr alles doppelt und dreifach hört oder lesen müsst ;))
Einmal vorweg: Die Association Tanana Mirana, wo ich arbeite, ist ein ein absolut vorbildliches und fortgeschrittenes Projekt. Wenn man bedenkt, dass das in einem Entwicklungsland durch Eigeninitiative einer Madagassin entstanden ist, ist das wirklich extrem bemerkenswert. Tanana Mirana ermöglicht zum einen gehörlosen Kindern, die öffentliche Schule zu besuchen und die entsprechenden Prüfungen abzuschliessen zum anderen schenkt sie geistig behinderten Menschen einen ihnen entsprechenden und erfüllenden Alltag. Menschen mit Einschränkungen haben in Madagaskar kaum eine Chance auf Ausbildung, von Arbeit ganz zu schweigen. Es gibt viele Eltern, welche auch nicht bezahlen möchten für ihre „unbrauchbaren“ Kinder. Aber dank der vielen Spendengeldern aus der Schweiz wird doch immer wieder einem Kind die Ausbildung und schlussendlich das Leben mit einem Handicap ermöglicht. Funktionieren tut es folgendermassen:
Die gehörlosen Kinder werden von (ebenfalls gehörlosen) Lehrpersonen in die öffentliche Schule integriert. Eigentlich so, wie bei uns IF funktioniert. Für die Kinder wird der normale Schulunterricht in Gebärdensprache übersetzt – die Lehrpersonen können Lippenlesen. Ich begleite jeweils einen halben Tag ein Mädchen aus unserem Zentrum in die erste Klasse. Der Unterricht dort ist in meinen Augen grauenhaft. Seit sechs Wochen machen sie nichts anderes als die Zahlen 1 – 6, sowie die Buchstaben i, o & a auf ihre Schiefertafel zu kritzeln. Das ganze ohne Verknüpfungen oder sonstigem Hintergrundwissen. Die Lehrerin hat mich bereits gefragt, ob ich ihr von meinen Erfahrungen weitergeben könnte. (Lehrerausbildung braucht es in Madagaskar anscheinend nicht – das kann man hier einfach) Sofort begann ich Unterricht zu planen und auch durchzuführen. Schlussendlich lief es aber darauf heraus, dass ich arbeitete, die Lehrperson zuschaute aber anschliessend selber nichts umsetzen wollte, was mich – muss ich zugeben- zur Zeit etwas demotiviert. Auch wenn es diesen 23 Kindern in dieser ersten Klasse vielleicht hilft, langanhaltend bewirkt das gar nichts, wenn die Lehrperson nicht kooperieren möchte ist alles für nichts – da reut mich mein Jahr hier eigentlich ein bisschen. Ich werde dir in einem Monat wieder berichten, ob ich einen Weg gefunden habe. 
Die öffentliche Schule für die grösseren Schüler aus dem Zentrum

In diesem Klassenzimmer sitzen 40 Schüler darunter 2 Gehörlose

Hari übersetzt

Haja (Hatza) buchstabiert


Ritual nach der Pause. Mehr oder weniger zivilisiert.


Jeden Montag wird die Flagge gehisst und am Freitag wieder runtergeholt.


Englischunterricht (ch ch ch - diese Aussprache ;) )

Domohina übersetzt

Kindergarten (*sniff*)

Anfangs Unterricht gehen alle zusammen aufs Klo. ;)

Aaaaah, die sind soo herzig.

Der EDV-Raum! (Weltklass)
Die andere Hälfte des Tages verbringe ich im Zentrum selber und arbeite mit dem Grüppchen von jungen Erwachsenen mit geistiger Behinderung – was ich uuunglaublich gerne mache - oder mit Kindern, welche neu ins Zentrum kommen und zuerst Gebärdensprache und viel Schulstoff aufarbeiten müssen, ehe sie in die Schule integriert werden können.  Ich führe quasi Grundstufenunterricht durch - erzähle zur Zeit gerade die Geschichte von Heidi. Sie finden es super! 


Edoardo, Tafita & Ellie üeben sich in Mathematik (DANKE ISA!!!)


Ich übe mich in Gebärdensprache (Zahl 6)

Faniry und Lova warten auf die Kreativarbeit

Fansa schreibt den Raport (Nachbereitung wird schwerer gewichtet als Vorbereitung)


Es ist gut spürbar, dass im Zentrum schon viele Stagiere waren. Der Unterricht dort entspricht schon fast dem Unterricht bei uns.
Zum Mittagessen kommen dann alle ins Zentrum. Gemeinsam werden Hände gewaschen, geplaudert, vor dem Essen gebetet und viel viel viel Reis verdrückt! 

So holt Eric Wasser zum kochen, waschen & putzen

Unser Badezimmer

Mastomana (Mastumana) Mit Faust auf Handrücken klopfen (Gebärdensprache) = En Guete.


Anschliessend Zähneputzen und um eins wird der Schulunterricht repetiert, was äusserst wertvoll ist, basierend auf der Tatsache, dass der Unterricht in der öffentlichen Schule wie gesagt nicht sehr lobenswert ist. Donnerstag und Freitag bin ich jeweils auch für eine Gruppe zuständig. Am Mittwochnachmittag leite ich das Sportprogramm.:-) Mattenlauf, Stafetten und jegliche Spiele mit dem Handballball sind hoch im Kurs. Daher nochmals: Wenn du einen alten Handballball hast, und ich bin davon überzeugt, du hast einige, bitte Sönne oder Muck geben – sie würden sie meinen Eltern zukommen lassen, welche mich im Dezember besuchen kommen und mir die Bälle mitbringen würden. (Hihi Mama und Papa, auf diesem Weg erfährt auch ihr von eurem Glück).


Volleyball (im Nachbersschuelhuus)

Ich üebe mich in de Gebärdesprach

Fotos sind für alle Beteiligten eine Attraktion!

Spitalfangis funktioniert überall

Mattelauf - haha Cheri, han a dich dänkt ;)

Handball

Wänn mer d Stimm nid chan bruuche bruchts uu vill Geduld - aber die hani ja.

Aber zurück zum Mittagsprogramm im Zentrum: Montag und Dienstag üben gehörlose Kinder mit mir die Gebärdensprache, was mir übrigens extrem viel Freude bereitet. Mittlerweile kann ich mich – dank des Fingeralphabetes- verständigen, wenn die Lehrpersonen beim Mittagessen aber miteinander diskutieren, verstehe ich kein Wort und weiss jeweils gar nicht wo ich überall schauen soll um die Gebärden zu sehen, zu erkennen und womöglich auch noch zu verstehen. Auch das ist eine Knacknuss für mich. Ich bin mir gewohnt in einem Team mitzudenken, Dinge weiterzuentwickeln und zu optimieren (jaja liebe Cheri,Linda und Manu– bin mir durchaus bewusst, dass es oft komplizierter wurde durch meine Optimierungsideen) Dadurch, dass ich aber oft nichts verstehe und die wichtigen schulischen Diskussionen sowie Informationen gar nicht mitbekomme, kann ich mich gar nicht richtig reingeben ins Geschehen.  Ich habe grosses Verständnis dafür, dass die LP’s im Zentrum mir nicht immer alles noch auf Französisch und langsam übersetzen möchten, dass auch ich noch verstehe, worum es geht. Trotzdem fühle ich mich dadurch manchmal als Aussenseiter. Es gibt mir das Gefühl, nicht das beitragen zu können, was ich gerne würde oder könnte. Aber auch das braucht Zeit.
Und diese vergeht ja wie im Flug. So sitzen meine lieben Tanten, meine Schwestern und meine Mutter dieses Wochenende beim „Chränzlä“ zusammen und in zwei Wochen werden „Wiehnachtsguetzli“ gebacken, die Herbstmarkte sind bei euch  schon vorbei, der erste Schnee anscheinend auch schon gefallen und ich bin sooo weit von all dem entfernt. Ich sitze im „Röckli“ vor dem Compi und das Wort Stress ist schon fast aus meinem Wortschatz rausgefallen. Mein Leben hier ist echt zum Geniessen. Ja ganz ehrlich: ICH BIN SEELIG.
Dir wünsche ich von Herzen einen schönen Winter, eine Weihnachtszeit ohne allzu grossen Stress. Wenn es dich vor lauter Arbeit und Geschenke einkaufen fast umhaut, nimm dir den Ausdruck Mora Mora (Mura Mura = Langsam, Langsam) etwas zu Herzen. Es geht viel einfacher und du bist schlussendlich genau so zufrieden. Ich denke oft und gerne an euch.


Oh und noch zum Schmunzeln:

In der Zwischenzeit bin ich anscheinend dick geworden. Jeden Tag wurde mir das aufs Neue und voller Stolz verkündet – das heisst schliesslich, dass ich ihr Essen gerne mag. (Aber es liegt an der madagassischen Schokolade – die schmeckt noch tausend Mal besser als die der Schweiz!-für einen „Schokoholiker“ wie mich ist das gefährlich)Aber keine Angst, so schlimm wie nach Irland ist es nicht ;)

Die Regenzeit hat nun begonnen (Fotoana ny orana *Ftona ny urana*) es regnet täglich ca. 2 Stunden. Und nicht wie bei uns. Petrus kippt ganze Badewannen aus. Nach fünf minuten könntest du in den Strassen fischen gehen - vielleicht erwischst du nur eines der frei herumlaufenden Hühnern - aber Poulet ist ja auch nicht schlecht ;) ) Oft fällt deshalb der Strom aus - aber ich bin gut ausgerüstet mit Taschenlampe und Kerzen ;)

Und ich hätte sooo gerne wiedermal durch und durch saubere Füsse (Der Flipflopabdruck auf den Füssen - ich weiss nicht ob das von der Sonne oder vom Dreck zeugt).
 


Und noch die gewohnten Grüsse:
@ Utami: Rosen gibt es hier auch! Sogar direkt vor meiner Haustüre. Nur von Blumenschmuck verstehen sie absolut nichts, die Madagassen.
@ 10-Kämpfer: Mein Training hat begonnen ;) Mein Coach will mich sogar für einen „ Concours“ anmelden hier. Haha – nie im Leben!
@ Isa: Du bist wirklich ein Engel! Vielen lieben Dank für deine Hilfe! Dank all den beantworteten Fragen kann ich einen nützlichen Matheunterricht durchführen und diesen auch den Lehrern im Zentrum entsprechend weitergeben.
@ Mama&Papa: noch wie oft müsst ihr schlafen? ;)
@ Livi: Hallo ;)
@ BFF: Danke fürs skybe gest - bin froh hani oi.
@ alle, die Snowboarden gehen: Eine Abfahrt für mich bitte!
@ Vani&Yves: Danke nochmals für das wunderbare Wochenende in Tana!
@ Franz und Ellen: ich hoffe, euer Madagaskartag war ein voller Erfolg – ich habe auf jeden Fall an euch gedacht.